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Wasserstoffwirtschaft nach Tetzlaff

Abschrift

Hauptteil Wasserstoffwirtschaft nach Tetzlaff

(*Wasserstoff - Eigenschaften

Eine vergleichbare Betrachtung zu Methan (Erdgas)

 

 

Wasserstoff

Methan

Dichte bei 20°C(1,013 bar)

0,084 g/l

0,7 g/l

Dichte bei Siedepunkt

70,79 g/l

423 g/l

Siedetemperatur

-252,8°C

-161°C

Heizwert (Hu)

120 MJ/kg

(33,3 kWh/kg)

10,8 MJ/Nm³

50 MJ/kg

(13,9 kWh/kg)

35,9 MJ/Nm³

Brennwert (Ho)

141,86 MJ/kg

(39,41 kWh/kg)

55,5 MJ/kg

(15,42 kWh/kg)

Zündbereich in Luft

4 – 75 vol%

5,3 – 15 vol%

Detonationsgrenzen

18,3 – 59 vol%

6,3 – 13,5 vol%

Detonationsgeschwindigkeit

1,48 – 2,15 km/s

1,39 – 1,64 km/s

Explosionsenergie(theoret.)

2,02 TNT/m³

7,03 TNT/m³

Zündtemperatur

560°C

650°C

Minimale Zündenergie

0,017 mJ

0,28 mJ

Laminare Brenngeschwindigkeit

270 – 346 m/s

37 – 43 m/s

Diffusionskoeffizient in Luft

0,61 cm²/s

0,15 cm²/s

 

Wasserstoff unterscheidet sich merklich von anderen Energieträgern. Es hat den größten massebezogenen Energieinhalt, aber die geringste Gasdichte. Dieses kleinste Molekül der Welt ist ca. 14-mal leichter als Luft. Es läßt sich leicht entzünden und brennt schnell ab. In den meisten Fällen wird eine Zündung vor erreichen der Explosionsgrenze eintreten. Richtig knallen wird es aber erst bei Erreichen der Detonationsgrenze. Darum wird Wasserstoff bei uns auch „Knallgas“ genannt, ein Wort, das man in anderen Sprachen nicht findet. Um Schlimmes zu verhüten, kann man eine Zündung aktiv unterstützen. Auch eine katalytische Umsetzung des Wasserstoffs zu Wasser ist sehr einfach. Solche Vorrichtungen könnte man in Tunneln, Garagen und Kellern installieren. Der große Zündbereich ist für die Regelung von Heizungen vorteilhaft. So kann die Bildung von Stickoxiden minimiert werden. Für schornsteinlose Strahlungsheizungen in Innenräumen kann man eine katalytische Verbrennung wählen, die praktisch kein NOx emittiert. Wasserstoff ist auch ein hervorragender Treibstoff, nicht nur für Brennstoffzellenfahrzeuge. Die besseren Verbrennungseigenschaften lassen selbst einen guten Dieselmotor alt aussehen.

 

(*Umstellung der Infrastruktur von Erdgas auf Wasserstoff

Wasserstoff ist ein sehr kleines und reaktives Molekül. Bei hohen Temperaturen kommt es besonders in hochlegierten Stahlsorten zur Diffusion von atomarem Wasserstoff in die Stahlwand (nicht durch die Stahlwand). Dadurch wird das Metallteil spröde und kann versagen. In geringerem Umfang kann eine Wasserstoffversprödung bei ungeeigneten Stahllegierungen auch schon allein durch hohen Druck über längere Zeiträume eintreten. Gefährdet sind hier möglicherweise besonders die großen transnationalen Leitungen, wenn sie von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden. Eine einfache Innenbeschichtung, die atomaren Wasserstoff abfängt oder zu molekularem Wasserstoff rekombiniert, löst dieses Problem. Auch durch Zugabe von etwas Sauerstoff (500 ppm) kann die Versprödung unterbunden werden. Das geschieht schon jetzt bei alten gusseisernen Leitungen, um Leckagen zu verringern. Für alle diese Arbeiten muß man die Leitungen nicht ausgraben. Im deutschen Netz, insbesondere im Mittel- und Niederdruckbereich, sind diese Probleme nicht zu erwarten, weder von den Stahlsorten noch vom üblichen Druck. Eine Querschnittsverengung durch Inliner ist für die hier vorgestellte dezentrale Bio- Wasserstoffwirtschaft voraussichtlich nicht nachteilig. Durch die vielen Einspeisepunkte in der Fläche sind die vorhandenen Querschnitte groß genug.

Neue Gasleitungen werden schon überwiegend aus Stählen gefertigt, die für Wasserstoff geeignet sind. Die Leitungen werden dadurch nicht teurer.

 

(*Das Erdgasnetz enthält heute riesige Speicher, z.B. Kavernen in Salzblöcken. Daneben gibt es noch Speicher in porösen Gesteinen. Während Salzkavernen uneingeschränkt für Wasserstoff geeignet sind, ist das bei Porenspeichern nur eingeschränkt der Fall. Die Einschränkung gilt für schmutzige Porenspeicher (alte Öl- u. Erdgasfelder) mit hohem Sulfatgehalt. Bakterien können durch Nutzung von Wasserstoff dann H2 S herstellen, das den Wasserstoff verunreinigt. Der Energiegehalt je Volumeneinheit ist bei Wasserstoff um den Faktor 3 bis 4 kleiner als bei Erdgas. Die fehlende Speicherkapazität, so sie benötigt wird, kann durch die vorgelagerte Speicherfähigkeit der Biomasse ausgeglichen werden. Die Mengenschwankungen sind in einem Wasserstoffnetz viel geringer als in einem Erdgasnetz, weil die zusätzlichen Verbraucher, Verkehr und Strom, kaum jahreszeitlichen Schwankungen unterliegen. Insgesamt werden im Wasserstoffnetz ca. 1.900 PJ Wasserstoff verteilt werden. Das ist weniger als die Erdgasmenge von 2006 von 3.300 PJ, wenn man berücksichtigt daß ein Wasserstoffnetz auch etwas länger sein wird als das heutige Erdgasnetz. Der Strömungsverlust wäre für Erdgas und Wasserstoff, auf den Energiegehalt bezogen, etwa gleich groß. Das ist aber nur ein akademischer Aspekt Im Gegensatz zum Erdgasnetz gibt es im Bio- Wasserstoffnetz eine Vielzahl von Einspeisepunkten. Die vorhandenen Rohrquerschnitte sind also mehr als ausreichend. Zwischenverdichter sind aus diesem Grunde auch nicht erforderlich.

(*Im Gegensatz zu Methan, das ca. 20-mal klimawirksamer ist als CO2, ist Wasserstoff kein Klimagas – im Gegenteil. Würden alle fossilen Energien 1:1 durch Wasserstoff ersetzt und unterstellt man eine Leckrate von 20%, so würde die Atmosphäre sogar um ein Zehntel Grad abkühlen, wie forscher errechnet haben. Das ist allerdings eine abenteuerliche Vorstellung. Würde man den geringeren Primärenergiebedarf einer Wasserstoffwirtschaft berücksichtigen, müßte mehr als die Hälfte des Wasserstoffs abgeblasen werden, um diesen Effekt zu erreichen.

 

(*Wasserstoff aus der Fermentation von Biomasse

Wasserstoff entsteht als Zwischenprodukt bei der Produktion von Biogas. Wie wir diesen anaeroben Prozess so lenken können, das ist noch wenig erforscht. Die Universität Duisburg-Essen hat mit 30 Liter-Reaktoren einen ersten Schritt zur technischen Umsetzung vollzogen. Durch eine gezielte Vorbehandlung und Manipulation von pH-Wert und H2 – Partikeldruck konnte immerhin in ca. 18 Stunden ein Viertel der Biomasse zu Wasserstoff vergoren werden. Der Rest der Biomasse muss dann mit Methanbakterien zu Biogas vergoren werden.

Die Erzeugung von Biogas aus Gülle ist heute stand der Technik. Biogas besteht hauptsächlich aus Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). In einem nachfolgenden Prozess wird daraus Wasserstoff hergestellt. Hier kann die Technik aus der Erdgas-Reformierung weitgehend übernommen werden. Da die Energieausbeute bei der Erzeugung von Biogas aus Gülle nicht gerade hoch ist, wird die Gesamtausbeute durch die nachfolgende Reformierung weiter herabgesetzt. Die Gesamtausbeute ist aber besser als die Energieausbeute durch die heutige Stromgewinnung aus Biogas mit Gasmotoren.

Bei Verwendung des Presssaftes aus kalt ausgepressten Pflanzen ist die Ausbeute mit ca. 80-90% dagegen sehr hoch. Weil die Verweilzeit im Fermenter nur eine Woche beträgt, ist das Verfahren wirtschaftlicher als bei der Vergärung von Ganzpflanzen. Der Presskuchen enthält noch ca. 50% Wasser. Er kann thermochemisch zu Wasserstoff verarbeitet werden.

 

(*Thermochemische Umwandlung von Biomasse

Seit der Entdeckung des Feuers hat der Mensch Biomasse Thermochemisch z.T. in Wasserstoff umgewandelt. In jedem Ofen entstehen neben dem Verbrennungsprodukt CO2 auch CO und H2. Wasserstoff und die „Vorläufersubstanz“ CO entstehen in großen Mengen, wenn noch feuchtes Holz im Brennraum ist. Genau auf diese Weise funktioniert die thermochemische Umwandlung von Biomasse zu Wasserstoff. Es gibt eine große Zahl von speziellen technischen Prozessen zur thermischen Umwandlung von Biomasse. Wichtigster Punkt ist die Zielsetzung, denn es macht einen großen Unterschied ob Holzkohle, Treibstoffe, Brenngas für Motoren oder Wasserstoff hergestellt werden soll. Für die thermochemische Vergasung sind alle kohlenstoffhaltigen Energieträger, also auch alle Arten von Biomasse, verwendbar.

 

Zusammensetzung von Biomasse

Biomasse ist gespeicherte Sonnenenergie. Deshalb gehört Biomasse zu den solaren Energien. In der Literatur wird dieser Begriff häufig auf Photovoltaik und Wind verkürzt. Hier wird Biomasse als solare Erneuerbare Energie verstanden. Die Sonne ist über die Photosynthese der eigentliche Energielieferant für die Biomasse. Die Baustoffe der Biomasse stammen aus der Luft (CO2, O2) und aus der Erde (Mineralstoffe).

 

 

Die Tabelle zeigt die wichtigsten Inhaltsstoffe.

 

 

C

H

O

S

N

Holz

50,6

6

43

0,03

0,37

Klee

46,1

5,2

44,9

0,21

0,9

Stroh

42,9

5,5

50,7

0,56

0,25

Weizen

45,7

7,3

44

0,12

2,86

Mais

46,9

5,5

47

0,04

0,81

Miscanthus

48,6

6

45

0,08

0,3

 

Elementaranalyse von Biomasse in Gew.%

 

Biomasse ist im Vergleich zu fossilen Energieträgern sehr sauber. Günstig ist auch der hohe Sauerstoffgehalt, weil das den Bedarf an Sauerstoff aus der Luft für die chemische Umwandlung der Biomasse ganz erheblich reduziert. Biomasse vergast also fast von alleine.

 

(*Wirbelschicht-Reaktoren

Wirbelschichtreaktoren sind seit vielen Jahrzehnten eine etablierte Technik. Der Name leitet sich davon ab, daß Luft von unten durch eine Sandschicht eingebracht wird und diese aufwirbelt. Optisch sieht das so aus als ob man Erbsensuppe kocht. Die Kohle wird in das heiße Wirbelbett zusammen mit Zuschlagstoffen, die den Schwefel binden, eingebracht. Die Temperaturen werden so gewählt, daß die Asche leicht vom Sand getrennt werden kann.

Das Wirbelschichtverfahren ist auch gut geeignet zur Herstellung von Synthesegas. Die Wirbelschicht sorgt für eine sehr gleichmäßige Temperaturverteilung im Reaktor. Das erleichtert die Prozessführung. Als Einsatzstoffe eignen sich Kohle, Schweröle, Biomasse, und Müll. Wirbelschichtreaktoren für Biomasse gibt es in fast allen Industrieländern. Diese Anlagen produzieren ein Synthesegas, das für die Verbrennung in Motoren und Turbinen oder zur Dampferzeugung optimiert ist. Das Wirbelgas besteht häufig aus Wasserdampf. Es werden aber auch Mischungen aus dampf mit Luft oder Sauerstoff eingesetzt. Diese Anlagen sind überwiegend nicht auf die Erzeugung von Wasserstoff optimiert. Daß bisher noch kein Wasserstoff in großen Mengen und in reiner form hergestellt wurde, liegt nicht am Unvermögen der Ingenieure, sondern daran, daß man mit Wasserstoff nichts rechtes anzufangen weiß.

 

(*Hochwertiges Eiweiß aus CO2

Die Art und Weise wie wir unser Eiweiß produzieren, hat einen großen Einfluss auf die benötigte landwirtschaftliche Fläche. Es ist ferner zu beachten dass 85% der Nahrungsmittel zur Ernährung von Schlachttieren verwendet werden. Nach dem stand der Wissenschaft und Technik ist es möglich, diesen Anteil auf wenige Prozent zu reduzieren. Das hat natürlich enorme Auswirkungen auf die Flächen, die für Energiepflanzen zur Verfügung gestellt werden können. Darum ist die Eiweißproduktion in Bezug auf Bio-Energie ein wichtiges Thema. Es wäre also nicht sachgerecht, das zu verschweigen.

Eiweiß ist ein wichtiger Bestandteil unserer Ernährung. Das gilt in besonderem Maße für tierisches Eiweiß, weil es alle 8 essentiellen Aminosäuren enthält, die unser Körper nicht selbst herstellen kann, aber dringend braucht.

 

Auch für das Vitamin B12 ist Fleisch ((oder aus tierischer Produkten, d.h. Ei und Käse) (Anmerkung von mir selbst)) die wichtigste Quelle, denn Pflanzen enthalten dieses Vitamin nicht. Ein Mangel an Vitamin B12 kann unser Nervensystem schwer schädigen. Vitamin B12 wird ausschließlich von Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilzen und Algen, produziert. Höhere Pflanzen und Tiere sind dazu nicht in der Lage. Werden Pflanzen einem Gärprozess unterworfen (Sauerkraut), enthalten die Produkte auch Vitamin B12. Vitamin B12 ist in tierischem Eiweiß nur deshalb vorhanden, weil die Tiere über angegorenes Futter (Silage) große Mengen von Vitamin B12 aufnehmen. Auch das in der Darmflora produzierte B12 können die Tiere, im Gegensatz zum Menschen, verwerten.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt dem erwachsenen Menschen eine durchschnittliche tägliche B12 Menge von 3 Mikrogramm (µg) mit der üblichen Mischkost aufzunehmen. Da wir für dieses Vitamin einen Speicher besitzen, der einen Mangel über Jahre hinweg ausgleichen kann, muß man aber nicht so sehr auf die Tagesbilanz schauen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über eiweißreiche Nahrungsmittel.

 

100g zubereitetes Nahrungsmittel

B12 – Gehalt (µg)

Rindfleisch

2,7

Schweinefleisch

0,8

Schweineleber

25,0

Seelachs

3,5

Ei, hartgekocht

1,3

Milch

0,4

Käse, Edamer

1,9

Sojabohnen

0,0

 

Wir sind also auf tierisches Eiweiß angewiesen, wenn wir gesund bleiben wollen. Zu diesem Zweck halten wir mehr oder weniger große Tiere. Die heute überwiegend praktizierte Haltung und Schlachtung wirft aber ethische Fragen auf, denen wir nicht ausweichen sollten.

Die wichtigste Frage lautet: müssen wir überhaupt Wirbeltiere schlachten? Darauf gibt es eine eindeutige Antwort: Nein. Wir können auch ganz kleine Tiere züchten, am besten mikroskopisch kleine Tiere. Gemeint sind Einzeller, die eine ähnliche Fleischzusammensetzung haben wie die Wirbeltiere, denn alles Leben stammt von diesen Einzellern ab. Das Einzeller-Eiweiß heißt auf neudeutsch „Single Cell Protein“ (SCP) und wird bereits in großen Mengen produziert (zeitweilig bis zu 2.000.000 t/a weltweit).

Wissenschaftlich kann man diesen „Kleinsttierzoo“ in 4 Arten einteilen:

 

Art

Protein-Gehalt i.d.Trockenmasse (%)

Verdopplungszeit (h)

Bakterien

50-85

0,2-3

Hefen

45-55

2-6

Pilze

30-45

5-12

Algen

45-65

6-24

 

Die artgerechte Haltung dieser Spezies ist leicht zu erfüllen.

  • Algen brauchen Licht und CO2, da sie, wie die Pflanzen Photosynthese betreiben. Kultiviert werden diese in flachen Becken und brauchen viel Sonne, also nichts für unsere Breiten.
  • Alle anderen Spezies holen sich die Energie aus Substanzen, die in Wasser gelöst, emulgiert oder suspendiert sein müssen. Sie benötigen dazu Sauerstoff wie wir. Technisch geschieht das in großen Behältern mit Rührwerken oder häufiger in sogenannten Airliftreaktoren, in denen Luft-Sauerstoff und das sich bildende CO2 für eine Durchmischung sorgen. Solche Reaktoren nennt man Fermenter oder Bioreaktoren.

 

Die aerobe Vergärung zu Single Cell Protein (SCP) kann durch nachfolgendes Schema beschrieben werden:

 

Substrat + O2 +NH3 + Mineralstoffe ---> SCP + CO2 + H2O + Wärme

 

Mikroorganismen sind gute Futterverwerter. Die Substratausbeuten betragen 0,4 bis 1,2 kg SCP je kg Substrat. Mikroorganismen sind den Wirbeltieren also in der Futterverwertung und der Wachstumsgeschwindigkeit weit überlegen. Beispielsweise wird aus einer Bakterienmasse von 1 g innerhalb eines Tages 1*2 hoch 24 = 16,8*10 hoch 6 g = 16,8 t SCP mit ca. 80% Protein. Um die gleiche Eiweißproduktion zu erzielen, müßte man eine Rinderherde von mehr als 200.000 Tieren haben. Dabei ist eine SCP-Produktionsanlage mit 16,8 t/Tg = 5.000 t/a eine sehr kleine Anlage. Die Standartgröße ist 100.000 t/a SCP.

Nun kann man nicht so ohne weiteres Energiepflanzen als Substrat für die Produktion von SCP verwenden. Der größte Teil einer Pflanze besteht nämlich aus Cellulose (genauer: Cellulose, Hemicellulose und Lignocellulose). Diese Inhaltsstoffe der Pflanze können Mikroorganismen nicht, sehr zum Leidwesen der Biogasbauern und Ethanolhersteller. Aus Sicht der Wissenschaft könnte man diese Stoffe mit Enzymen zu Zucker umwandeln, die von Mikroorganismen gut verwertet werden können. Praktisch scheitert das aber daran, daß diese Enzyme sehr teuer sind, sehr langsam arbeiten und bei einem Zuckeranteil von ca. 2% ihre Aktivität einstellen, technisch notwendig wären aber 15%. Diese Verfahren sind also bisher nicht wirtschaftlich. Forschungsarbeiten dazu werden an der TU-Berlin, NREL in Golden (Colorado) und der Firma Novozymes A/S in Bagsvaerd (Dänemark) durchgeführt. Die Enzyme werden bei diesem Verfahren von Pilzen produziert. Auch in der freien natur werden diese Enzyme von Pilzen produziert. Nur so können die Zweige im Wald und die Stoppeln im Acker von Mikroorganismen verdaut werden. Die Natur hat es weise eingerichtet, daß das sehr langsam geschieht. Wir sollten uns lieber nicht wünschen, daß unsere Fachwerkhäuser in Windeseile von Enzymen hochgezüchteter Pilze in Zucker umgewandelt werden und dann von Mikroorganismen aufgefressen werden. Auf die Verzuckerung von Cellulose durch Salzsäure möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, denn das artet oft in eine große Umweltschweinerei aus. Die zweitbeste Lösung ist die Nutzung von Carboxidobakterien. Methanbakterien ernähren sich von Kohlendioxid und Wasserstoff.

 

Als Stoffwechselprodukt entsteht dabei Methan:

4H2 + CO2 à CH4 + 2H2O

Das ist eine Reaktion die in unserer Darmflora jeden Tag abläuft, denn wir produzieren ca. 12 Liter Wasserstoff pro Tag. Wasserstoff wird in unserem Körper größtenteils zu Methan, Essigsäure und Schwefelwasserstoff umgesetzt.

Das Methan ist ein ausgezeichnetes Substrat für methanoxidierende Bakterien. Für eine vollständige Verwertung des CO2 braucht man dann also zwei Fermenter. Beide arbeiten in einer Art Symbiose zusammen. Der erste Fermenter produziert im Wesentlichen Methan. Der zweite, der aeroben Fermenter, macht aus Methan SCP und CO2. Das CO2 wird dann in den ersten Fermenter zurückgeführt. Letztlich wird der gesamte Kohlenstoff des CO2 zu SCP umgesetzt.

Leider sind (hier) genaue Angaben über Wachstumsgeschwindigkeit und Ausbeuten für die o. g. Reaktionen nicht bekannt. Darum wird an dieser Stelle die drittbeste Lösung aus der Kombination von heißer Chemie und sanfter Biologie vorgestellt. Genutzt wird die gesamte Pflanze, nicht nur ein Teil des Samens. Es werden zunächst Alkane (n-Alkane) nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellt, die anschließend in einem Fermenter zu SCP verarbeitet werden.

Zunächst einige allgemeine Anmerkungen zu Substraten und Eiweißausbeuten. Die folgende Tabelle vergleicht die Substratausbeute von Bakterien mit der Rinderzucht.

 

Tierart

Substrat

Kg Protein / kg Substrat

Bemerkungen

Bakterien

Methanol

0,35

 

Bakterien

Methan

0,5

 

Bakterien

Alkane

0,8

0,74 kg Protein / kg Biomasse

Rinder

Kraftfutter

0,005

auf trockenes Futter bezogen

 

Die Tabelle zeigt die Futterverwertung von Einzellern und Wirbeltieren

 

Die drei synthetischen Substrate unterscheiden sich deutlich in der Substratausbeute. Betrachtet man den Wasserstoffverbrauch für die Synthese je kg SCP von Bakterien oder Hefen, so sind die Unterschiede gering. Wasserstoff ist die Ressource, die richtig Geld kostet. Der Kohlenstoff des Substrates stammt vom CO2 Das gibt es umsonst.

Wenn man also eine technische Anlage mit 1 kg Biomasse aus einer beliebigen Ganzpflanze „füttert“, erhält man über den Weg: CO2, Alkane, Bakterien, ca. 0,74 kg hochwertiges Eiweiß in Form eines Eiweiß-Konzentrates. Das setzt allerdings den Zukauf von Fremdenergie voraus, z.B. Wasserstoff aus Windenergie. Füttert man dagegen Rinder mit 1 kg eiweißreichem Kraftfutter, erhält man nur 0,005kg in Form von Fleisch.

Nachfolgend soll der Syntheseweg von Biomasse über n-Alkane zu SCP näher erläutert werden. Alkane sind einfache geradkettige Kohlenwasserstoffe der Formel: CnHn+2, wobei „n“ eine beliebige ganze Zahl sein kann. Marktgängig sind Alkane mit n = 1 bis 22. Alkane sind ungiftig und chemisch sehr stabil, von Mikroorganismen, wie Hefen und Bakterien, aber leicht zu knacken.

 

Produktion von SCP aus CO2

Die Herstellung von Alkanen aus CO2 erfordert zwei Teilschritte. Der erste Schritt ist die umgekehrte Shift-Reaktion:

CO2 + H2 à CO + H2O + 49,2 kJ/mol

Der zweite Schritt ist die Fischer-Tropsch-Synthese (FT):

n CO + (2n+1)H2 à CnH(2n+2) + n H2O – n 160kJ/mol.

Die endotherme Reaktion zu CO erfordert eine Wärmeeinkopplung durch die FT-Reaktion. Das gelingt mühelos, weil die Reaktion unter ähnlichen Bedingungen (ca. 200°C) ablaufen kann. Im Ergebnis erhält man Alkane mit einer Kettenlänge vorzugsweise von 6 bis 18. die dabei erzeugten Wachse stören nicht.

 

Abbildung 147 : SCP aus CO2 und Energie

 

Die Alkane werden in einem Fermenter in Wasser emulgiert und mit einer geeigneten Bakterienkultur geimpft. Die Bakterien brauchen Sauerstoff und sehr geringe Mengen an Mineralien. In diesem Beispiel wird reiner Sauerstoff zugeführt. Das erleichtert die Rückführung von CO2 in die FT-Synthese. Fermenter können diskontinuierlich im Batchbetrieb gefahren werden oder (häufiger) kontinuierlich über 1-2 Monate. Danach erfolgen eine Reinigung und eine erneute Beimpfung. Damit ist ein „steriler“ Betrieb möglich, bei dem nur die erwünschten Bakterien wachsen. So kann die einwandfreie Qualität garantiert werden. Eine Garantie hat es für tierisches Eiweiß bisher noch nicht gegeben. Gleichwohl wird immer wieder behauptet, daß die Nahrungsmittel sicher seien, wie Renten und Atomkraftwerke – bis zum nächsten Skandal.

Das SCP wird als Konzentrat oder als Pulver an die Verarbeiter verkauft, die daraus bekömmliche und gesunde Nahrungsmittel mit der richtigen Zusammensetzung von Aminosäuren, Vitaminen und Spurenelementen herstellen. Auch Geschmacks- und Geruchsstoffe lassen sich fast beliebig komponieren, denn reines Eiweiß ist geschmacklos. Auch die Mehrzahl unserer Lebensmittel enthalten heute Beimischungen, die den Genuss steigern, sie bekömmlicher und haltbarer machen.

Natürlich kann SCP auch dem Tierfutter beigemischt werden. Es macht aber keinen Sinn, aus sauberem, gesundem Eiweiß unter hohen Verlusten, großem Aufwand und großer Schweinerei, bedenkliches Eiweiß mit großen Tieren zu produzieren.

 

Abschätzung der Wirtschaftlichkeit

Eine grobe Abschätzung kann man unter nachfolgender Voraussetzung abgeben:

 

Das CO2 wird kostenlos zur Verfügung gestellt – aus dem CO2- Speicher oder der laufenden Produktion.

Die Kosten für Wasserstoff betragen 2,8 ct/kWh. Das entspricht etwa den Kosten für Wasserstoff aus Biomasse heute.

Die Ausbeute beträgt 1 kg SCP/kg Alkane (0,95-1,2 kg/kg, gemäß diversen Veröffentlichungen) mit 80% Proteingehalt.

Betrachtet wird das Jahr 2020 zu realen Preisen von heute. Das Jahr 2020 ist nur symbolisch gemeint. Technisch könnten wir das schon jetzt, eine breite Akzeptanz erfordert aber Jahrzehnte.

 

Die spezifischen Investitionskosten sind auf 100.000 t/a SCP bezogen, 22% davon sind als investitionsabhängige Kosten angesetzt.

 

Eine derartige Produktionsanlage wird im Verbund mit einer Bio-Wasserstoff-Fabrik arbeiten. Bei einer üblichen Anlagengröße von 500 MW Wasserstoff werden etwa 20% davon für die SCP-Fabrik benötigt. Die Infrastruktur für CO2, H2, O2 und Wärme kann gemeinsam genutzt werden. Eine Düngemittelfabrik am Standort würde den Bezug von Ammoniak erleichtern. Danach ergeben sich folgende Kosten für die Produktion von SCP:

 

Kostenart

Kosten €/kg SCP

Energiekosten

0,50

Sonstige Betriebsmittel

0,06

Investitionsabhängige Kosten FT, Alkane

0,05

Investitionsabhängige Kosten SCP

0,19

Σ

0,80

 

Wie aus obiger Tabelle ersichtlich, sind die Energiekosten ein bedeutender Kostenblock. Der größte Anteil entfällt auf die Herstellung von Alkanen. Die Energiekosten für Ammoniak, Sauerstoff, Pumpen, und Verdichter sind Vergleichsweise gering. Die Produktionskosten für Alkane betragen ca. 0,47 €/kg (0,38 €/l). Anders als bei der Treibstoffherstellung, müssen Wachse und das Reaktionswasser nicht entfernt werden. Darum ist der Wert niedriger als in der Literatur für BTL ausgewiesen ist.

Wem die obige Kalkulation von SCP wegen fehlender Einzelheiten suspekt ist, möge sich an Erfahrungssätzen orientieren. Danach betragen die Kosten für SCP 50-60% der Rohstoffkosten. Die Kosten für SCP betragen also, 0,47/0,6 = 0,78 €/kg SCP. Für diese Abschätzung wurde der Wert an der oberen Bandbreite (60%) eingesetzt, weil es sich um ein hochwertiges Substrat handelt. Der untere Wert (50%) paßt zu Abfall-Substraten, wie Melasse und Sulfitlaugen (aus der Papierindustrie). Die analytische Methode und diese Faustformel führen etwa zu gleichen Ergebnissen. Für die weiteren Betrachtungen soll mit einem runden Wert gerechnet werden:

0,80 €/kg SCP = 1 €/kg Protein (Eiweiß)

Wie schon andere Autoren immer wieder festgestellt haben, ist dieses Single Cell Protein teuer als Protein von Sojaschrott. Soja kostete im Februar 2007 ca. 256 €/t. der Proteingehalt beträgt ca. 42%. Daraus ergeben sich Kosten für pflanzliches Protein von 0,61 €/kg. Unter Berücksichtigung einer höheren biologischen Wertigkeit von etwa 15% würde SCP nur wettbewerbsfähig werden, wenn die Herstellkosten unter 0,73 €/kg Protein sinken würden.

Bei aller Zahlenakrobatik sollte man nicht übersehen, daß der Weltmarktpreis für Eiweiß aus Soja hochgradig subventioniert ist, Eiweiß aus Energiepflanzen in diesem Buch aber nicht. Wenn die bäuerlichen Einkommen zusätzlich durch Energiepflanzen gestützt werden, entfallen die Subventionen für Soja. Soja würde dann 2-bis 3-mal mehr kosten als heute. Damit wäre SCP eine billige Eiweißquelle auch für Tierfutter (wenn man das nicht als groben Unfug betrachten will).

 

 

Ertrag (t/ha) TM

Protein (t/ha)

Sojabohnen, 42% Protein

2,6

1,1

Energiepflanzen, Windenergie

40

30

Energiepflanzen, Bio-Energie

401

7

 

Wie aus obiger Tabelle zu entnehmen ist, sind die Erträge von technischem Protein deutlich höher als bei Soja, der besten Eiweißpflanze der Welt. Sollte Soja einmal knapp werden, ist SCP eine Antwort. Die beiden letzten Zeilen der Tabelle unterscheiden sich dadurch, daß einmal Windenergie dazugekauft wird und einmal Bio-Wasserstoff vom Acker produziert wird. Im letztern Fall braucht man 3,4 Hektar zusätzlich für den notwendigen Wasserstoff. Dabei fällt CO2 im Überschuß an, das dem Speicher im Untergrund zugeführt werden kann. Das erklärt den Unterschied von 30 t/ha und 7 t/ha.

In Deutschland landen a. 85% der Nahrungsmittel im Futtertrog (weltweit 50%). Würde man SCP für die menschliche Ernährung nutzen, würde sie die erforderliche Ackerfläche wie folgt ändern.

 

 

Jahr 2000, traditionell

(Mio. ha)

Jahr 2020,

fortschr.

(Mio. ha)

Bemerkungen

Nahrungsmittel, Mensch

1,3

1,2

höhere Erträge

Nahrungsmittel , Tier

9,2

0,14

SCP

Stillgelegt

1

10,46

+5 Mio. ha Grünland

 

Flächenverbrauch heute und morgen

 

In der Tabelle ist berücksichtigt, daß die Hektarerträge für Nahrungsmittel in 20 Jahren um ein Drittel steigen werden. Der Ertrag für Energiepflanzen steigt im gleichen Zeitraum von 20 t/ha auf 40 t/ha. Bei Umsetzung des heute Machbaren, benötigen wir also für die Eiweißerzeugung nur noch 1,5% der heutigen Ackerfläche. Außerdem wird das Grünland nicht mehr für Tiernahrung benötigt. Gesünder, billiger und ethischer wäre es auch.

 

 

Eiweißkosten

(€/Tag)*

Erzeugerpreis

(€/kg)

Eiweißgehalt

(%)

Verhältnis Erzeuger- zu

Verkaufspreis

Rindfleisch

1,06

2,4

22

0,32

Schwienefleisch

0,86

1,4

18

0,28

SCP

0,31

0,80

80

0,10

 

*bezieht sich auf den aktuellen Fleischkonsum von 60 kg/a mit 19% Eiweiß (Definition § 4Fleischhygienegesetzt), das entspricht 31 g Eiweiß/Tag.

 

Eiweißkosten je Person und Tag

 

Die Eiweißkosten aus SCP für die menschliche Ernährung sind mit einer großen Unsicherheit behaftet, weil schwer abzuschätzen ist, welchen Anteil Veredlung und Vertrieb haben werden. Wenn der Verkaufspreis das 10-fache des Erzeugerpreises ist, dann betragen die Eiweißkosten etwa 0,31 €/Tag für einen erwachsenen Menschen. Angesichts dieser Unsicherheiten spielt es kaum eine Rolle, ob der Erzeugerpreis für SCP doppelt so hoch oder nur halb so hoch ist. Möglicherweise ist es für die Menschen in 20 Jahren völlig unerheblich, ob sie täglich 0,2 € oder 2 € für gesundes Eiweiß ausgeben.

 

Weltweiten Eiweißmangel überwinden

Ich habe mehrfach empfohlen, CO2 im Untergrund zu speichern, damit diese Kohlenstoffquelle künftigen Generationen zur Verfügung steht. Dazu zwei Beispiele:

Angenommen, die Wasserstoffwirtschaft mit CO2-Speicherug würde 40 Jahre lang in Deutschland betrieben. Das ist ein normales Lebensalter für große technische Einrichtungen. Danach würden die Menschen entscheiden, diese CO2- Kohlenstoffquelle für die Eiweißproduktion zu nutzen, sei es, weil ein nukleare Katastrophe das Land verseucht hat oder einfach, weil sie es aus anderen Gründen so wollen. Mit den gespeicherten CO2 wäre die Eiweißversorgung von 80 Millionen Menschen dann über 10.000 Jahre gesichert!

Man könnte auch auf die Idee kommen, das CO2 aus der Energieversorgung gar nicht erst zu speichern, sondern gleich für die Produktion von SCP zu nutzen. Dann könnte man 20 Milliarden Menschen dauerhaft mit hochwertigem Eiweiß allein aus Deutschland versorgen, einem Gebiet also, das auf einem Schulglobus mühelos mit der Fingerkuppe abgedeckt werden kann.

Die besorgten Hinweise, daß die Erde eine wachsende Weltbevölkerung bald nicht mehr ernähren kann, sind aus technologischer Sicht jedenfalls unbegründet.

 

Geschichtliches zu SCP

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Produktion von neuartigen Eiweißquellen mittels Fermentation industriell entwickelt. Das Ziel bis zum Ende der siebziger Jahre war die Bekämpfung des Hungers durch billiges Kraftfutter für Tiere. Als Substrat wurden Abfälle aus der Landwirtschaft und dem verarbeitenden Gewerbe genutzt, z.B. Molke, Melasse und Sulfitablaugen aus der Papierherstellung. In Zeiten billigen Öls kamen Erdölderivate verstärkt zum Einsatz. Auch SCP aus Alkanen wurden in großen Mengen produziert. Vorausgegangen waren umfangreiche Untersuchungen auf Toxizität und Krebsgefahr. Die Produktion erlebte bis zum ersten Ölpreisschock in den siebziger Jahren einen regelrechten Boom. Danach war SCP nicht mehr wettbewerbsfähig. Verschlimmert wurde die Situation durch Subvention der Landwirtschaft und die Züchtung von ertragreichen Sojabohnen ohne Bitterstoffe. Inzwischen konnten die Produktionskosten durch genveränderte Pflanzen weiter gesenkt werden. Die Sojabohne hat sich damit eindeutig für die Tierernährung durchgesetzt. Auch die Suche nach billigerem Abfall als Substrat konnte nur in Teilmärkten erfolgreich sein. Seit ca. 20 Jahren denkt man verstärkt darüber nach, wie SCP für die menschliche Ernährung nutzbar gemacht werden kann.

 

Das stellt hohe Anforderungen an die Reinheit des Substrates und erfordert ein gutes Marketing. Frühere Versuche zur Einführung von SCP sind hauptsachlich am unzureichenden Marketing gescheitert. Der hier aufgezeigte Weg zur Erzeugung eines hochreinen Substrates aus nachwachsenden Rohstoffen zur Verwendung als Lebensmittel, könnte ein Neubeginn sein. Gefährliche Abhängigkeiten wie bei den Erdölderivaten sind hier nicht gegeben. Die Nahrungsmittel aus SCP sind auch nicht preisempfindlich.

 

Rechtliche Aspekte

Bis 1997 durften Lebensmittel ohne weiteres in den Verkehr gebracht werden. Seit 1997 ist das anders. Ein Gesetzt über neuartige Lebensmittel (Novel Food Verordnung) regelt nun in Europa ganz genau was erlaubt ist und was nicht. Alle Nahrungsmittel, die neu auf den Markt kommen sollen, unterliegen einer abgestuften Genehmigungspflicht das reicht von einer einfachen Anzeige bis hin zu aufwändigen klinischen Prüfungen. Betroffen ist alles was neu auf den Markt kommen soll, oder genauer. Was bisher noch nicht in nennenswerten Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Für Tierfutter gibt es eine ähnliche Regelung.

Novel Food können z.B. Insekten sein, die in Asien gerne verzehrt werden, aber bei uns neu sind. Auch exotisches Obst oder heimische Samenkörner können betroffen sein, wenn sie vor 1997 noch nicht auf dem Markt waren.

Eingeschlossen sind ebenfalls Verarbeitungsprozesse, die gebräuchliche Lebensmittel stark verändern.

Betroffen sind auch in unterschiedlichem Umfang SCP. Viele derartige Spezies waren oder sind aber bereits auf dem Markt. Möglicherweise müssen sie im Zusammenhang mit Verarbeitungsprozessen genehmigt werden. Es bleibt abzuwarten, wie weit die Behörden ihren Ermessenspielraum ausschöpfen.

Der Kern der Verordnung zielt auf genetisch veränderte Lebensmittel. Hier gibt es immer wieder heftige politische Auseinandersetzungen, die in schneller Folge zu immer neuen Novellierungen der Verordnung führen. An dieser Auseinandersetzung kann man gut erkennen, daß es im Kern um Verbraucherschutz geht. Das ist auch gut so, angesichts einer immer komplizierteren Lebensmittelproduktion.

Neben dem Schutz des Verbrauchers vor gesundheitlichen Schäden, was schon immer Obliegenheit eines Staatswesens gehörte, ist der Schutz des Verbrauchers vor Irreführung und Täuschung neu hinzugekommen. Damit wird auf eine irreführende Werbung abgehoben, die beispielsweise bei Kosmetika heute die Regel ist.

Wenn die Sache nicht in Bürokratie erstickt, kann daraus eine Erfolgsstory zum Schutz des Verbrauchers und zum Schutz der seriösen Produzenten werden. Das läuft auf einen Markt von Marken hinaus, wie das schon in anderen Bereichen üblich ist.

Die Margarine „becel pro-activ“ ist ein solches Beispiel. Es ist das erste Lebensmittel, das von der EU nach dieser Verordnung zugelassen wurde. Das Gesundheitsversprechen „hilft nachweislich den Cholesterinspiegel zu senken“ ist wissenschaftlich bewiesen und behördlich abgesegnet. Wie bei jeder wirksame Arznei, sollten man auf das „Kleingedruckte“ achten, denn Wirkungen ohne Nebenwirkungen gibt es auch hier nicht. Irreführende Werbeversprechen wie bei Waschmitteln oder Kosmetika sind bei Novel Food nicht erlaubt.

 

Anders sieht es dagegen bei den schon auf dem Markt befindlichen „Nahrungsergänzungsmitteln“ und Functional Food aus. Das sind reine Phantasienamen. Die Werbeversprechen müssen keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten. Die mitgelieferten Gesundheitsversprechen sind nicht immer falsch, nur oftmals übertrieben und allgemein gehalten. Der wachsende Erfolg dieser Produkte zeigt die Sehnsucht der Menschen nach gesunder Ernährung. An sich ist es Aufgabe des Staates, dieser Verwirrung Einhalt zu gebieten (ergibt sich aus der Fürsorgepflicht). Ob er sich gegen die Lobbyisten wird durchsetzten können, ist aber fraglich.

 

Was wir gewinnen und was wir aufgeben

Mit der Produktion von mikroskopisch kleinen Lebewesen erschließen wir uns eine Eiweißquelle mit erheblich geringerem Ressourcenverbrauch. Da die Ingredienzien sauber und leicht kontrollierbar sind. Ist auch das Produkt sauber, reproduzierbar und in seinen Wirkungen genau vorhersagbar. Die Komposition von Vitaminen und Mineralstoffen ist entsprechend dem ernährungsphysiologischen Kenntnisstand in weiten Grenzen steuerbar. Dem Kundenwunsch nach Geschmacksrichtungen kann man ebenso erfüllen, wie die Anforderung an die Konsistenz – flüssig, breiig, oder faserig.

Diese Produkte werden mit einem Gesundheitsversprechen ausgeliefert, wenn der Unternehmer den wissenschaftlichen Beweis dafür vorlegen kann. Das wird von der zuständigen Behörde überprüft und überwacht. Prahlen, verschweigen, schummeln und tricksen geht nicht mehr.

Auch die Aufzucht der Mikroorganismen hält jeder ethischen Bewertung stand. Diese neuartigen Lebensmittel haben dann die Funktion der heutigen „Nahrungsergänzungsmittel“ und wirken wie eine rezeptfreie Medizin gegen verbreitete Volkskrankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Gicht Krebs und Allergien. Das SCP-Eiweiß ist voraussichtlich deutlich billiger als Eiweiß von Großen Tieren.

Wir geben dafür eine Menge auf, z.B. unsere sehr emotionale Beziehung zu blutigem Fleisch. Aber was auch damit verbunden ist, würden wir gerne aufgeben. Eine kleine unvollständige Liste zur Erinnerung:

Massentierhaltung mit unappetitlichen Begleiterscheinungen

Fischfarmen.

Raubau der Meere durch Überfischung und Gammelfischerei (gezielter Beifang als Tierfutter).

Hormone, Antibiotika, Dioxine, und andere schlimme Sachen in Fisch, Fleisch, und Eiern.

Hohes Gesundheitsrisiko durch pathogene Keime und Tierkrankheiten.

Unverantwortliche Tiertransporte

Unzureichende Schlachthofhygiene (Salmonellen).

Umweltprobleme durch (zu) große Tierbestände, z.B. NH3-Emmisionen.

Verseuchung des Grundwassers durch viel zu viel Gülle.

Treibhauseffekt durch Methan-Emmisionen von Wiederkäuern.

Erzeugerkette vom Ackerboden, Futter, Tiermast und Verarbeitung ist Praktisch nicht lückenlos kontrollierbar, so daß zufällig aufgedeckte Skandale in schöner Regelmäßigkeit wiederkehren.

Essentielle Aminosäuren und Vitamine sind sehr ungleich verteilt, Fehlernährung möglich.

 

Akzeptanz

Akzeptanz hat etwas mit Vertrauen zu tun, nicht mit Geschmack oder Preis. So akzeptieren wir Brot und Wein seit Urzeiten, obwohl beides schon immer mit Hilfe von Hefen (=SCP) produziert wird. Wenn wir überzeugt sind, daß Hefen und Bakterien gutes bewirken, dann schlucken wir sie auch lebendig, beispielsweise in Form von Milchsäurebakterien in probiotischen Joghurts oder Drinks. Der Umsatz mit diesen funktionalen Lebensmitteln betrug 2002 in Deutschland 2,25 Mrd. €, in USA 19 Mrd. $. Auch SCP in Form von Mikroalgen (Einzellern) ist ein gutes Geschäft, besonders in Vegetarierkreisen, denn diese Algen enthalten ca. 60% Protein mit der Qualität von Tiereiweiß. Die üblichen Handelsformen sind Dragees. Der Ladenpreis liegt ungefähr bei 200 €/kg, ein stolzer Preis. Ein Ladenpreis von SCP, der über dem von Rindfleisch liegt würde die Akzeptanz also möglicherweise fördern.

Wenn wir erfahren, daß unser Essen total künstlich aus Holz, Stroh, oder Gras in einer Fabrik hergestellt wurde, ist unser Vertrauen erst einmal dahin. Da hilft auch kein Hinweis, daß es sich um das gesündeste und sauberste Eiweiß handelt, das es gibt. Wenn man der Industrie oder der Technik im Allgemeinen misstraut, hilft auch kein Zureden. Mit anderen Worten: Vertrauen muß Zeit zum Wachsen haben. Und die haben wir auch. Allein die Genehmigungsverfahren werden noch Jahre brauchen. Bis man Ausdrücke wie Techno-Steak, Pressspanburger oder Kunstfleisch emotional verdauen kann, vergehen viele Jahre.

Die Eingewöhnung ist aber gar nicht so schwierig. Rund die Hälfte des tierischen Eiweißes nehmen wir in unstrukturierter Form zu uns, also über Lebensmittelzutaten, z.B. in Würstchen und Hamburgern, Fragen nach dem was und wie stellen wir  uns kaum. Wir würden einen Unterschied weder sehen noch schmecken. Schließlich haben wir uns auch daran gewöhnt, daß wir Hühnern nicht mehr persönlich den Hals umdrehen, sondern sie tiefgefroren, in Plastik verpackt und mit Barcode drauf aus dem Supermarkt holen. Wir finden das ganz natürlich, obwohl es ganz und gar nicht natürlich ist. Uns würde schaudern, die Tiere selbst zu töten. Unsere Enkel werden eines Tages schockiert sein, wenn sie hören, daß ihre Vorfahren riesige Tiergefängnisse und Schlachthöfe für ihre lieben Tiere aus dem Zoo betrieben haben.

Die Gemeinde der Vegetarier dürfte mit SCP weniger Schwierigkeiten haben als ein gestandener Bauer. 1995 wurde auf der Bio-Fach Messe in Nürnberg ein Produkt aus Süßlupinen zum Produkt des Jahres gekürt, das eiweißhaltig ist und einen ähnlich hohen Vitamin-B12-Gehalt aufweist wie Rindfleisch. Da Pflanzen kein Vitamin B12 produzieren können, wurden diese Lupinen einem Vergärungsprozeß unterzogen. Das Vitamin B12 stammt also von SCP. Das ist mit anderen Pflanzensamen ebenfalls möglich. Es geschieht bereits, wenn auch zögerlich. Eiweiß und Zucker können direkt von Mikroorganismen genutzt werden. Stärke kann über gut wirksame Enzyme zu Zucker umgewandelt werden. Damit ist ein Einstieg gegeben, wenngleich dieser nicht sehr effizient ist, weil nur ein kleiner teil der Pflanze genutzt wird. So gesehen könnte sich die ethische Vorbildfunktion der Vegetariergemeinde eines Tages auszahlen. Wohlgemerkt, für den Rest der Bevölkerung bedeutet die Abkehr von tierischem Eiweiß in der heutigen archaischen Form kein Verzicht, sondern Genuss und ein gesundes langes Leben. Die Betonung liegt auf gesund.

 

Aminosäuren als Tierfutter

Da SCP vor allem ein Akzeptanzproblem hat, kann SCP als Tierfutter ein Wegbereiter sein. Ein großes Unternehmen stellt z.B. die Aminosäuren L-Lysin, L-Theonin, und DL-Methionin her, die die Grundlage für die körpereigene Produktion von Proteinen bilden. 1 kg dieser Aminosäuren im Tierfutter kann 34 kg Sojaschrot oder 54 kg Fischmehlersetzen. Da die Zufütterung dieses Produktes die Tiermast erheblich verbilligt wird sich diese Produkt zweifellos durchsetzen. Die für 2014 geplante Produktionsmenge von 580.000 t/a Methionin ersetzt andernorts eine Ackerfläche von 12 Mio. ha, was etwa der Ackerfläche Deutschlands entspricht. Das ist ein zielführender Ansatz. Auch die Ökobilanz kann sich sehen lassen.

Da die Fleischproduktion zu ca. 20% am menschengemachten Treibhauseffekt beteiligt ist, ist die Produktion von SCP oder essentiellen Aminosäuren (als Vorläufersubstanz für Proteine) auch für den Klimaschutz sehr wichtig. Das gilt auch für den zweitbesten Weg über das Tierfutter.

Der aufgezeigte Ansatz „SCP und Aminosäuren“ ist ein gewaltiger Hebel um Ackerflächen für die Erzeugung von Biomasse zur Energiegewinnung freizusetzen. Zweifel am Potential der Biomasse als Hauptträger der künftigen Energieversorgung sind deshalb unbegründet.

 

Nichtenergetischer Verbrauch

Der Nichtenergetische verbrauch von Energieträgern betrifft deren stoffliche Umwandlung zu Wertstoffen. Kohle, Öl, und Gas werden z.B. in Kunststoffe, Farben und Arzneimittel umgewandelt. Der nichtenergetische Verbrauch findet fast ausschließlich in der chemischen Industrie statt. Was ein nichtenergetischer Verbrauch ist, wurde bis jetzt weder in Deutschland noch in Europa eindeutig definiert. Überwiegend wird darunter der Eingangsstoffstrom (Feed) verstanden. Ein großer Teil diese „Feed“ wird aber verfeuert. Genutzt werden zu etwa 90% fossile Energieträger, vor allem Öl und Gas. Der nichtenergetische Verbrauch hat am gesamten Verbrauch von Energieträgern einen Anteil von 7-8%.

Die Umstellung der chemischen Industrie auf den Rohstoff Biomasse ist kein technisches Problem. Auch das Potential von Biomasse wäre vorhanden. Ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt sich ab ca. 40 $/bbl. Die chemische Industrie würde der Energiewirtschaft sicher gern den Vortritt lassen, um deren Infrastruktur für eine flexible Produktion zu nutzen.

Zurzeit wird die Infrastruktur für die fossilen Energien von der Energiewirtschaft und der chemischen Industrie auch gemeinsam genutzt. Würde der Energiesektor auf Erneuerbare Energien umgestellt, dann müsste die chemische Industrie die gewaltigen Kosten der Infrastruktur (Bohrinseln, Pipelines, Hafenanlagen, Vorratslager) alleine tragen. Das würde langfristig zu sehr hohen Rohstoffkosten führen. Auch die Beschaffung von leichten Erdölfraktionen (Naphta) würde aufwändiger. Die Infrastrukturkosten der Petrochemie könnten nicht mehr auf Treibstoffe und Chemierohstoffe umgelegt werden. Außerdem müßte ein größerer Teil des Erdöls in Hydrieranlagen zu Leichten Fraktionen umgewandelt werden. Das alles führt zu einer drastischen Verteuerung der Rohstoffkosten.

Die chemische Industrie wird in einer Wasserstoffwelt nur kurzfristig von einer geringeren Nachfrage nach Erdöl und Erdgas profitieren, langfristig muss sie ihre Versorgungsbasis auf Biomasse umstellen.

 

Wettbewerbssituation von Biomasse und Erdöl heute

Um zu verstehen, in welcher Form Biomasse in die Prozesse der chemischen Industrie eingebracht werden kann, muß die Prozess-Chemie an dieser Stelle näher erläutert werden.

Etwa 2/3 der chemischen Synthesen erfordern Kohlenwasserstoffe mit zwei oder mehr Kohlenstoffatomen im Molekül. Der bevorzugte Rohstoff ist daher Rohbenzin (Naphta). Im ersten Schritt werden daraus reaktive kleine Moleküle mit Doppelbindung hergestellt. Es handelt sich um Alkene (Olefine). Für die Herstellung von Kunststoffen werden vor allem Ethen und Propen (Ethylen und Propylen) genutzt. Kleinere Mengen der C4-Fraktion (Buthene)werden für spezielle Produkte eingesetzt. Von der benötigten Menge hat Ethen eine Überragende Bedeutung. Deshalb sind die Chemiefabriken zwischen Rotterdam und Antwerpen mit dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Main-Gebiet durch Pipelines verbunden, die Ethen transportieren. Auf diesem Wege kann man Skalenvorteile nutzen und die Verfügbarkeit sichern. Propen läßt sich auch durch Dehydrierung von Propan herstellen. Man ist also hier auf einen Verbund nicht unbedingt angewiesen. Diese Entkopplung hat sich besonders in den letzten Jahren ausgeprägt.

Die Herstellung von Alkenen erfolgt in sogenannten Steam-Crackern. In diesen Apparaten wird Naphta zusammen mit Wasserdampf kurzzeitig (0,1-1 Sekunde) auf 700-1000°C erhitzt und schlagartig abgekühlt. Die Vielzahl der Produkte, die dabei entstehen, müssen mit großem Aufwand getrennt werden, was etwa 2/3 der Kosten verschlingt. In der nachfolgenden Tabelle sind die Ausbeuten eines typischen deutschen Steam-Crackers dargestellt.

 

 

Gasöl

Kg/t Feed

Naphta

Kg/t Feed

Leichte KW*

Kg/t Feed

Ethen

252

299

568

Propen

157

174

106

C4-Fraktion

108

106

58

Heizöl

150

36

5

Crackbenzin

219

237

55

Restgas (Methan)

101

130

177

Wasserstoff u.Ver-

luste

13

18

31

Σ

1.000

1.000

1.000

*3/7 Ethan + 1/7 Propan + 3/7 Butan

Ausbeute und Alkene

Die Tabelle zeigt, daß die höchsten Ethen–Ausbeuten mit kurzkettigen Alkenen erzielt werden. Diese sind aber nicht überall verfügbar. In Deutschland wurden z.B. 1995 ca. 71% Naphta (Rohbenzin), 19% Gasöl (Diesel) und 11% leichte Kohlenwasserstoffe eingesetzt. Das Wunschmolekül wäre Ethan mit einer Ausbeute von 830 kg Ethen/t.

An dieser stelle kann man nur die Vorteile von Biomasse ins Spiel bringen. Bei der Standart-Synthese von Biomasse über das Steam-Reforming und Fischer-Tropsch-Verfahren entstehen geradkettige Kohlenwasserstoffe (n-Alkane) mit 5-22 C-Atomen, die oft zu Benzin und Diesel destilliert werden.

 

Diese Alkane bringen schon eine ca. 30% höhere Ausbeute von Ethen als Naphta. Optimiert man die FT-Synthese zu kürzeren Alkanen, so steigt die Alken-Ausbeute deutlich an, wie aus der Spalte „Leichte KW“ abzulesen ist. Auf diese Weise kann die dürftige Umwandlungseffizienz von Biomasse zu Alkanen von 50-60% kompensiert werden. Auch die höheren Kosten der Alkane aus Biomasse können dadurch in etwa kompensiert werden. Rohbenzin aus Erdöl kostet ca. 60% mehr als Rohöl, wenn man einen kleinen Aufschlag für Frachten zu deutschen Chemiestandorten und die Vorratshaltung dem Börsenpreis von Benzin hinzufügt. Bei einem Rohölpreis von 24 €/bbl kostet dann Naphta ca. 0,28 €/kg, Alkane aus Biomasse nach eigener Berechnung aber fast doppelt so viel (bei 73 €/t für Biomasse). Die Produktion von Ethen aus Biomasse ist bei doppelter Ausbeute also nicht teurer als Ethen aus Naphta. Vielleicht ergibt sich ein kleiner Kostenvorteil von Biomasse dadurch, daß weniger nicht vermarktungsfähige Nebenprodukte  produziert werden. Die Trennung der Produkte ist dadurch einfacher und die Investitionskosten für die Apparate niedriger, auch weil die synthetischen Alkane schwefelfrei und damit weniger korrosiv sind. Auf den ersten Blick ist die Kostensituation für Öl und Biomasse sehr ähnlich. Bei Ölpreisen von etwa 100 $/bbl ist die Biomasse sicher vorzuziehen.

Wettbewerbsvorteile ergeben sich auch, wenn Biomasse auf großen Flächen billig produziert werden kann, wie in Nord- und Südamerika und den ehemaligen Ostblockländern. Biomasse würde sich auch bei Devisenknappheit empfehlen.

Ein weiterer Vorteil der Biomasse ist die Sicherheit der Rohstoffversorgung und die Preisstabilität. Es ist nicht nötig für jeden Standort eine eigene Anlage zur Erzeugung von Synthesegas zu installieren. Das ist besonders zu empfehlen, wenn die Produktionsanlagen klein sind und man flexibel auf den Markt reagieren möchte. In diesem Fall genügt eine Anbindung an sowieso vorhandenen Netze für Wasserstoff und CO2.

Die Synthese von CO2 zu dem universellen Ausgangsmolekül CO ist verhältnismäßig einfach. Chemiestandorte sind meistens „Hotspots“, in denen die thermische Energie für die hier erforderliche endotherme Reaktion ohnehin vorhanden ist. Auch die künftige Stromerzeugung mit Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFC) macht die Verfügbarkeit von hochwertiger Prozessenergie einfach.

Chemieprodukte, die nicht über den Pfad „Alkene“ hergestellt werden, könnten zuerst wettbewerbsfähig werden. Das betrifft besonders die Produkte, deren Rohstoffbasis Synthesegas aus Naphta ist. Einige Beispiele für Produkte aus nachhaltig gewonnenem Synthesegas finden sich im NREL-Report.

Die neue Rohstoffbasis „CO2“ eröffnet auch neue Synthesewege. So hat das Max-Plank-Institut für Kohleforschung im Jahrbuch von 2001 festgestellt: „Die Verwendung von Kohlendioxid (CO2) als Synthesebaustein erscheint aus ökologischer Sicht besonders attraktiv“.

Inzwischen hat man neue Synthesewege mittels ionischer Flüssigkeiten entdeckt, die eine einfache direkte Synthese ermöglichen. Für diese Technologie sind die Grundbausteine H2 und CO2 bestens geeignet.

Neue Synthesen ergeben sich auch durch den systembedingten Stromüberschuß in einer Wasserstoffwirtschaft. So läßt sich beispielsweise Ethen elektrochemisch aus Ethan und Wasserdampf in einem einzigen Schritt herstellen. Dadurch ist man dann unabhängig von großen Steam-Crackern und der Ethen-Pipeline von Rotterdam.

 

Abschließend bleibt festzuhalten, daß die chemische Industrie von billiger Energie in einer Wasserstoffwirtschaft profitiert und durch die Umstellung auf die Rohstoffbasis „Biomasse“ nicht benachteiligt wird. bei rechtzeitiger Prozessentwicklung können Schutzrechte erworben und Wettbewerbsvorteile erlangt werden. Auch die Herstellung „grüner Produkte“ aus nachhaltiger Bewirtschaftung ist ein „Wert an sich“, selbst dann, wenn man externe Kosten, wie militärischen Aufwand sowie Umwelt- und Klimaschutz, außer Acht läßt.

Allerdings ist die chemische Industrie traditionell recht konservativ. Sie orientiert sich großem Aufwand lieber nach rückwärts. Mit Steuergeldern in Höhe von ca. 100 Mio € wird gerade (wieder) Nutzung spezieller Braunkohle am Standort Leuna erforscht.

 

Bioprodukte

Die direkte Herstellung von Produkten aus der Landwirtschaft mit Hilfe biologischer Verfahren wird neben der klassischen Chemie bestehen bleiben und durch Nutzung von Synergien weiter ausgebaut werden können. Das Qualitätsmerkmal „biologisch abbaubar“ wird seine heutige Bedeutung allerdings weitgehend verlieren, weil alle Werkstoffe am Ende ihrer Nutzung zu Wasserstoff verarbeitet werden. Im Deutschland ist die thermische Entsorgung dieser Stoffe ab 2005 sogar zwingend vorgeschrieben.

Andere Bioprodukte, die gleiche oder ähnliche Produkte aus der Klassischen Chemie verdrängen sollen, müssen sich allerdings dem Wettbewerb stellen. Das ist das „Aus“ für viele Produkte, die heute mühelos entwickelt und hochsubventioniert auf den Markt gebracht werden. Das erklärt auch, daß der Umsatz aus nachhaltiger Chemieproduktion nur 1,63 Mrd $/a betrug, verglichen mit dem Gesamtumsatz von 3.729 Mrd. $/a also recht klein.

Am Beispiel „Alkene“ am Anfang dieses Kapitels ist deutlich geworden, daß die „heiße Chemie“ nicht gerade effizient mit Ressourcen umgeht. Die Natur macht das im Allgemeinen besser. Deshalb bleibt die Veränderung der Prozesstechnik eine fortwährende Herausforderung.

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